Auch heute gilt wieder die alte Regel „Viel Sonnenschein = Hohe Dichte an PS-protzenden Autos mit seltsamen Fahrern“. Zu sehen gibt es dies aktuell u.a. auf der Wilhelmstraße in Wiesbaden. Die Wilhelmstraße, eine lange, gerade Geschäfts- und Hauptverkehrsstraße in der hessischen Landeshauptstadt, ist das, was wie die Kö für Düsseldorf oder der Kudamm für Berlin repräsentiert. Sie wird sowohl gern als Shopping-Meile als auch als Parade-Platz für Automobiles genutzt.
Die Wilhelmstraße in Wiesbaden - Projektionsfläche automobiler Eitelkeiten
Da Wiesbaden recht wohlhabend, die Wilhelmstraße zum „Schaulaufen“ der Luxusautos sehr prädestiniert und das heutige Wetter perfekt ist, gibt es dort für den automobil-interessierten Beobachter viel zu sehen. Die Palette reicht vom Mercedes SL W107 Cabrio und Porsche 356 A über den Porsche 997 Turbo und Hummer H2 bis zum Lambo Gallardo und Ferrari 430. Selbstverständlich bemühen sich die Fahrer um maximale Aufmerksamkeit bei den Betrachtern. Bisheriger Gewinner im automobilen Corso ist ein Ferrari 365 Daytona Spider aus Offenbach – ein absoluter Traum. Während die meist gesetzten Besitzer von Fahrzeugen aus den 70er und 80er Jahren ganz auf die Schönheit ihrer Fahrzeuge vertrauen unterstreichen die Piloten der jüngeren Baureihen ihre Auftritte wahlweise durch abruptes Beschleunigen, viel Standgas zahlreiche Ehrenrunden (auf der Suche nach dem perfekten Show-Parkplatz“) sowie gewagten Überholmanöver.
Die Reaktionen des Publikums reichen von sachkundiger Faszination und ungläubigem Staunen („ein McLaren SLR – unglaublich!“ – „so ein Auto und dann noch so eine Frau dazu“ – „vom schwarzen RS Carrera 73 gab es nur 3 Stück!“) über neidvolle Blicke und abfällige Bemerkungen („gehört doch alles nur der Bank“ – „ist bestimmt geklaut“ – „womit der wohl sein Geld verdient“) bis zur coolen Ignoranz des Gesehenen.
Interessant ist, dass – analog zum Tierreich – die Großen häufig von den Kleinen begleitet werden, die auch ein Stück vom Aufmerksamkeits-Kuchen abbekommen möchten. So haben auch zahlreiche Besitzer von BMW e36, Audi Cabrio oder Opel Calibra ihre Gefährte umfangreich für den heutigen Tag hergerichtet und kompensieren fehlende Motorleistung, attrktive Insassinnen oder automobile Historie durch quietschende Reifen und sehr laute Musik. Dabei ist auffallend, dass der Musik-Geschmack auch im „spießigen“ Wiesbaden eindeutig zum Gangster-Rap tendiert.
Wir haben unsere A-Klasse derweil in einer Seitenstraße geparkt und genießen bei einer Reis-Souffle-Torte im Cafe Blum das Defilee der Auto-Helden. Vielleicht machen wir in der nächsten Woche einmal mit – der laut röhrende Klappenauspuff unseres Porsche 996 sollte mindestens einen Mittelfeldplatz im Aufmerksamkeits-Ranking bescheren…